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Eine prächtige antiautoritäre Studie über die Nationalitäten erschien im Prolétaire (Brüssel) und als Broschüre Les Nationalités . . . (Die Nationalitäten, betrachtet vom Standpunkt der Freiheit und der individuellen Autonomie, von einem Proletarier, Brüssel, 1862, 52 S.); Verfasser war Hector Morel, † 1891 282. Dies ist vielleicht die erste ganz freiheitlich-antipatriotische Publikation. „. . . Gesellschaft und Nation sind diametral entgegengesetzte Begriffe, die einander ausschließen. Gesellschaft schließt in sich Freiheit, individuelle Spontaneität; Nation enthält Autorität, Reglementierung, Despotismus . . .“ (S. 24). „. . . Freiheit ist Genuß des Lebens in seiner Fülle, in seiner ganzen Entwicklung. Kann Freiheit oder individuelle Autonomie mit der Zentralisation oder nationalen Autonomie zusammen bestehen? Da liegt die ganze Frage . . . . Nation schließt ein [implique] Regierung, Autorität, d. h. Privileg und Despotismus, oder anders ausgedrückt: Regeln, Grenzen der freien und beliebigen Wünsche eines jeden; in der Nation ist die persönliche Freiheit . . . also unvermeidlich und faktisch konfisziert zum Nutzen der Kollektivität, d. h. einer unentzifferbaren Fiktion, die von den Privilegierten und Ausbeutern zur besseren Sicherung ihrer Beherrschung der Massen erfunden wurde.“ „. . . Welche Beziehung von Gerechtigkeit . . . kann existieren zwischen dem Herrschenden und dem Beherrschten, dem Herrn und dem Diener, zwischen Ausbeuter und Ausgebeutetem, dem Reichen und dem Armen mit einem Wort? Das Gesetz . . . ist und kann nur sein ein Unterdrückungs- und Knechtungswerkzeug und das verhaßteste von allen, da es sich immer im Namen der Gerechtigkeit und des Rechts aufzwingt . . .“ (S. 48–49).
„. . . Die Autorität ist die logische und natürliche Folge der Nationalitäten, der politischen und administrativen Zentralisation. Wenn also die Revolution – und hierüber kann kein Zweifel bestehen – den Sieg der Freiheit zum Ziel hat, muß man notwendigerweise laut Dezentralisation proklamieren und daher die Organisation sozialer Gruppen verkünden, die zur Grundlage nehmen zunächst die Autonomie der Gemeinde und das Föderativprinzip . . .“ (S. 51) „. . . Am Tag des großen Volkssiegs brecht das fürchterliche Bündel das nationale und zentralisierende Einheit genannt wird, entzwei; schüttelt die Regierungsvormundschaft ab, vernichtet die Gesetze, diese schweren Ketten, und {222] proklamiert, daß Gerechtigkeit, Arbeit und Freiheit . . . von nun ab allein die Welt regieren werden“ (S. 52).
Einige Isolierte gelangten zu anarchistischen Anschauungen, so der Verfasser der ungemein seltenen Schrift Philosophie de l‘Insoumission ou Pardon à Caïn (Philosophie der Nichtunterwerfung oder Verzeihung für Kain, von Félix P., New York, 1854, IV, 74 S., 12°); die Vorrede ist Félix P . . . . . unterzeichnet. Diese
282 Dies nach dem Neudruck im Supplément litt. der Révolte, II, S. 256–288. Von ihm ist auch der Dialog zwischen einem Anarchisten und einem Autoritär in La Révolte, 1888, in zwei Broschüren, Publications anarchistes I, II, Brüssel, 1891, 32 S., 16°. – Über Hector Morel ist mir fast nichts bekannt. V. Dave erinnerte sich aus der Zeit der belgischen Internationale nicht an ihn. – Das in 100 Exemplaren gedruckte belgische Anonymenlexikon von Jules Delecourt, 1863–1866, nennt als Verfasser Puraye; dies muß also ein Irrtum sein oder ist „Hector Morel“ ein Pseudonym?
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