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I. Zur Urgeschichte von Freiheit und Autorität
Die sozialen Bewegungen seit 1917 und alle früheren und ihr bisheriger Mißerfolg beweisen nicht etwa, daß der Sozialismus an dem natürlichen Freiheitsbedürfnis des Menschen scheitert, sondern, daß ein diesem Drang nach Freiheit nicht entsprechender Sozialismus nicht lebensfähig ist, auch wenn ihm alle durch Gewalt erzwungenen Hilfsmittel zur Verfügung stehen. Denn jeder Organismus braucht eine freie Bewegungssphäre, ohne welche Stillstand und Verfall eintreten müssen.
Dies hat jede soziale Klasse begriffen, auch wenn sie die denkbar größte Machtstellung sich verschafft hatte. Der Freiheitsdrang des Unrechts, des Privilegs ist eben der unaufhörliche Kampf für deren Ausdehnung und Verstärkung, während die starren Systeme des autoritären Sozialismus diesem Bewegungsdrang nach Herstellung sozialer Gerechtigkeit Einhalt bieten zu können glauben, eine Illusion, weil sie dadurch der Menschheit das sie belebende freiheitliche Element entziehen würden, weshalb sich ihrer ernstlichen Verwirklichung stets instinktsicheres Mißtrauen entgegenstellt. Die Geschichte kennt neben kürzeren Perioden anscheinender Ruhe, in denen eine Herrschaft, ein System sich durchgesetzt zu haben schienen, während in Wirklichkeit dieser kurzen Blüte unvermeidlich Verblühen und Verfall folgten, Normalzeiten beständiger Kämpfe, die entweder die Verteidigung einer Unabhängigkeit oder Autonomie oder den Angriff zur Ausdehnung einer Herrschaft oder eines Privilegs zum Ziel hatten. Jeder Feudalherr kämpfte in diesem Sinn gegen Könige, Städte und den Staat um seine alten oder neue Privilegien oder im Bunde mit denselben gegen schwächere Nachbarn um Beute. Die beginnende Bourgeoisie der freien Städte des Mittelalters, selbst Tyrannen in ihrem Stadtgebiet und dessen ihrer Macht erreichbaren Umkreis, verteidigte sich gegen Adel und Könige und den sie zu erdrücken bereiten zentralistischen Staat der Neuzeit. Diese grandiosen Kämpfe des Bürgertums in Italien, Holland, England, Amerika, Frankreich vom fünfzehnten zum achtzehnten Jahrhundert, und in aller Welt im Lauf des neunzehnten, verschafften der Bourgeoisie schließlich die heute vom internationalen Finanzkapital vertretene vollständige Herrschaft, eine Macht, die noch viele Ausdehnungsmöglichkeiten zu haben vermeint, die aber doch längst einen hippokratischen Zug zeigt: durch Ausschließung der ungeheuren Volksmassen entbehrt die nominelle Macht der Bourgeoisie jeder dauernd festen Grundlage und wird eigentlich vor allem durch das Mißtrauen gegen den Sozialismus aufrechterhalten, für den eine das natürliche Freiheitsbedürfnis befriedigende Form den Massen noch nicht bekannt ist, während die freiheitlichen Richtungen des Sozialismus, der Anarchismus also, sich schon seit langem bemühen, praktische Arten der Synthese von Freiheit und Solidarität zu finden. {5]
Selbstverständlich würden solche neuen Möglichkeiten sozialen Lebens nicht durch eine Diktatur aufgezwungen werden, sondern, selbst der Beobachtung und dem freien Experiment entspringend, würden sie mit Benutzung adäquater Mengen von Produktionsmitteln und Rohstoffen, bei ungehinderter Bewegungsfreiheit
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