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Bis September 1931 hatte Nettlau, das Manuskript für den vierten Band abgeschlossen, der noch umfangreicher werden sollte als der vorherige dritte Band, aber nicht mehr, wie auch die Folgebände, zu seinen Lebzeiten veröffentlicht wurde. Im Oktober des gleichen Jahres begann er mit seiner Arbeit am fünften Band, Anarchisten und Syndikalisten, in dem sich Nettlau auf die Organisationsgeschichte des internationalen Anarchismus und Syndikalismus bis 1914 konzentrierte. Das war eine Mammutaufgabe, angesichts der Tatsache, dass die internationale anarchistische Bewegung seit 1860 deutlich an Breite gewonnen hatte. Ursprünglich hatte Nettlau hierfür einen einzigen Band eingeplant, da aber sein Manuskript im Laufe der Arbeit enorm anwuchs, entschied er sich, den fünften Band in drei Unterbänden herauszugeben.
Obschon sich die wirtschaftliche Lage für den Verlag „Der Syndikalist“ ab Ende der 1920er Jahre zunehmend verschlechterte und auch ungeachtet des geringen Interesses, das die Mitglieder der FAUD (A-S) und der ihr angeschlossenen Gilde freiheitlicher Bücherfreunde bisher für das Werk von Max Nettlau gezeigt hatten, war für den Herbst 1933 die Veröffentlichung des vierten Bandes geplant. In der von der FAUD (A-S) herausgegebenen Zeitschrift Die Internationale hatte Nettlau im April 1932 unter dem Titel Die erste Blütezeit der Anarchie 1886-1894. Übersicht des Manuskripts meiner geschichtlichen Darstellung eine Zusammenfassung dieses Bandes veröffentlicht. Doch das Erscheinen dieses Bandes wurde durch die Machtübernahme der Nationalsozialisten am 30. Januar 1933 verhindert.
Am 9. März 1933 durchsuchte die politische Polizei in Berlin die Räume der FAUD-Geschäftskommission und des Verlages „Der Syndikalist“, wobei ihr neben dem Archiv der anarchosyndikalistischen Internationalen Arbeiter Assoziation (IAA) sowohl das komplette Sortimentslager des organisationseigenen Verlages als auch die Buchbestände der Gilde freiheitlicher Bücherfreunde in die Hände fielen und von ihr vernichtet wurden.61 Darunter befanden sich die noch sehr großen Restbestände von Nettlaus im Verlag „Der Syndikalist“ veröffentlichten Buchtitel 62.
Einige Kritiker haben Nettlau später vorgehalten, dass er eher für Historiker und weniger für das allgemeine Lesepublikum geschrieben hat. So kann man das sicher sehen, denn seine Arbeiten zur Geschichte des Anarchismus, insbesondere
61._Zu der im Dritten Reich gegen die FAUD (A-S) u.a. libertären Organisationen einsetzenden politischen Repression und deren Widerstands- und Exilaktivitäten siehe Rudolf Berner: Die unsichtbare Front. Bericht über die illegale Arbeit in Deutschland (1937), hrsg., annotiert und ergänzt durch eine Studie zu Widerstand und Exil deutscher Anarchisten und Anarchosyndikalisten von Andreas G. Graf und Dieter Nelles. Berlin/Köln: Libertad Verlag, 1997 (= Archiv für Sozial- und Kulturgeschichte; Bd. 7), bes. S. 71-129.
62._In der von der NS-Reichsschrifttumskammer herausgegebenen Liste des schädlichen und unerwünschten Schrifttums, Liste Nr. 1 vom 25 April 1935 ist ausschließlich Nettlaus erster Band der Geschichte der Anarchie: Der Vorfrühling der Anarchie, verzeichnet. Seine übrigen Buchpublikationen scheinen nicht in das Blickfeld der Zensoren gelangt zu sein. Auch in späteren Ergänzungen der Zensurliste sind Nettlaus andere Buchpublikationen nicht aufgeführt.
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